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„Liebevoll mit sich ins neue Jahr starten“

Das neue Jahr ist kaum ein paar Wochen alt und wir müssen feststellen, dass sich unsere selbst auferlegten Neujahrsvorsätze auch heuer nicht ganz so umsetzen lassen, wie wir uns das eigentlich vorgenommen haben. Zum wiederholten Male haben wir vielleicht beschlossen mit dem Rauchen aufzuhören, weniger zu essen, mehr Sport zu treiben und noch so vieles mehr. Warum uns das immer und immer wieder nicht gelingen mag - hängt hauptsächlich mit unserer Willenskraft zusammen und mit der Tatsache, wie wertvoll das Angestrebte für uns tatsächlich ist. Dies ist jedoch nicht das Thema über das ich heute schreiben möchte - sondern viel mehr darüber, wie wir mit uns selbst umgehen sollen, wenn wir nicht so funktionieren, wie wir glauben es tun zu müssen und nicht nur dann, wenn wir an unseren Neujahrsvorsätzen scheitern.

Stellen Sie sich einmal vor Sie würden sich selbst als guter Freund begegnen und sich selbst zu Verhaltensveränderungen neuerlich motivieren können - trotzdem bisherige Versuche nicht geklappt haben!

Vielleicht gelingt Ihnen das bereits, dann gratuliere ich von ganzem Herzen. In meiner Praxis erlebe ich allerdings immer wieder genau das Gegenteil. In unserer wettbewerbsorientierten Gesellschaft haben viele von uns das Gefühl in allen möglichen Bereichen überdurchschnittlich sein zu müssen – ein Streben, das uns tatsächlich nur einschränkt und definitiv nicht voranbringt. Wenn wir trotz all unserer Bemühungen dann scheitern, kehrt sich unser Selbstbewusstsein rasch in Selbstkritik um und wir müssen erkennen, dass wir nicht alle gleichzeitig und permanent glänzen können – sondern, dass es immer jemanden geben wird, der klüger, schöner, intelligenter, erfolgreicher … usw. ist als wir.

„Mit dieser Erkenntnis kommen wir meist nur sehr schlecht zurecht - leider auch nicht ganz ohne Folgen!“

Eine beliebte Strategie um sich im Vergleich zu anderen besser zu fühlen ist, andere durch Bewertungen herabzusetzen. Unser Ego fühlt sich besser, wenn wir unsere Unzulänglichkeiten auf andere projizieren können. Diese Vorgehensweise verhindert jedoch unser eigenes Potenzial im Leben zu verwirklichen und schadet uns langfristig nur selbst.

Warum fällt es uns immer wieder schwer unseren eigenen Schwächen ins Auge zu sehen und unseren Mitmenschen würdevoll zu begegnen?

Wir neigen dazu sehr hart mit uns ins Gericht zu gehen, wenn wir eine Schwäche beziehungsweise eine Unzulänglichkeit an uns wahrnehmen. Daher ist es mehr als verständlich, dass wir die Wahrheit vor uns selbst verbergen und uns vor der Selbstverurteilung beschützen wollen – jedoch bewegt sich diese Spirale immer weiter abwärts und unsere psychische Widerstandskraft nimmt ab. Die Selbstkritik hindert uns daran unsere Ziele zu erreichen und wir fühlen uns zunehmend schlechter.

Was können wir also aktiv tun um dieser Abwärtsspirale zu entkommen?

„Selbstmitgefühl“ ist das Gebot der Stunde – hierbei handelt es sich um ein wissenschaftlich fundiertes Konzept von Kirstin Neff. Hier geht es darum, dass wir unser eigenes Leid verbunden mit dem Bestreben es zu lindern, erkennen und in einem Ausmaß für uns zu sorgen, wie wir es für einen guten Freund ebenso tun würden. Mehr Selbstmitgefühl steigert unser seelisches Wohlbefinden, führt zur Abnahme von Angst und Depressionen und unterstützt uns mit Selbstfreundlichkeit die eigenen Schwierigkeiten wahrzunehmen, ohne uns dabei zu verurteilen. Es ermöglicht uns zu erkennen, dass wir nicht perfekt sind und diese Gemeinsamkeit mit allen anderen Menschen teilen. Die Achtsamkeit hilft uns dabei unsere negativen Emotionen und Gedanken wahrzunehmen und unsere Gefühle nicht mehr zu unterdrücken. Wichtig ist noch zu erwähnen, dass Selbstmitgefühl nichts mit einem Egotripp zu tun hat – die Balance zwischen Mitgefühl für andere und der eigenen Fürsorge ist in jedem Falle aufrecht zu erhalten.

Damit wir unser Verhalten überhaupt verändern können, müssen wir zuerst lernen uns selbst zu verstehen!

Diese Fragen können Sie dabei unterstützen zu erkennen, wie Sie auf sich beziehungsweise auf Ihr Leben reagieren:

  1. Was kritisieren Sie an sich selbst?
  2. Was sagen Sie sich selbst und in welchem Ton, wenn Sie eine Schwäche an Ihnen bemerken oder einen Fehler gemacht haben?
  3. Wie fühlen Sie sich dabei, wenn Sie selbstkritisch sind?
  4. Haben Sie das Gefühl, dass Sie motiviert sind, wenn Sie hart mit Ihnen ins Gericht gehen?
  5. Stellen Sie sich vor, Sie könnten sich genau so akzeptieren, wie Sie sind. Wie fühlt sich das an?
  6. Wenn Sie in Ihrem Leben auf Probleme stoßen – wie gehen Sie mit sich um? Nehmen Sie Ihr Leid wahr oder fokussieren Sie sich ausschließlich darauf, das Problem zu lösen?

Selbstmitgefühl ist ein aktives TUN sich mehr Wertschätzung für das eigenen Bemühen entgegen zu bringen – unabhängig davon, ob wir unsere Ziele erreichen!

Wenn Sie wieder einmal in eine Situation kommen, in der die Erwartung der eignen Perfektion überhand nimmt, dann praktizieren Sie folgende Übung:

  1. Nehmen Sie die schwierige Situation wahr und versuchen Sie diese anzunehmen wie sie ist - ohne sie zu beschönigen oder sie gleich wegzuwischen.
  2. Gleichzeitig nehmen Sie bitte wahr, dass dies absolut menschlich ist – wir alle durchleben immer wieder schwierige Situationen.
  3. Wenden Sie sich nun sich selbst mit einer freundlichen und wohlwollenden Haltung zu. Sie können sich dabei die Hand aufs Herz legen und sich selbst gut zureden, genauso wie Sie einem guten Freund gut zureden würden, wenn er Ihre Unterstützung bräuchte.
    Formulieren Sie für sich selbst einen Satz, der Ihnen gut tut, der Sie stärkt,
    den Sie immer wieder verwenden können, wenn Sie Gefahr laufen, sich abzuwerten beziehungsweise sich selbst zu verletzen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie freundlich mit sich sein können und möchte Sie ermutigen diese Übung zu praktizieren. Sie werden sehen – es wird Ihr Leben und das Leben Ihrer Mitmenschen verändern – es ist Ihre Entscheidung!

Ihre Silvia Gebhard